Äußert sich der BGH zu Verwirkung und Rechtsmissbrauch?

Für den 23. Februar 2016 ist beim Bundesgerichtshof (BGH) eine mit viel Spannung erwartete Verhandlung zum Widerruf eines Darlehensvertrags angesetzt. Die Entscheidung könnte weitreichende Bedeutung haben.

Auf den ersten Blick geht es bei dem Verfahren um die Widerrufbarkeit von Krediten aus dem Sparkassen-Sektor, die die sogenannte Checkbox-Widerrufsbelehrung haben, bei der angekreuzt werden muss, welche Textbausteine jeweils gelten sollen. Diese Kredite wurden vor allem in den Jahren 2011 und 2012 abgeschlossen.

Doch Fachleute erwarten, dass der BGH die Gelegenheit nutzen könnte, um sich grundsätzlich zu zwei wichtigen Fragen rund um den Widerrufsjoker zu äußern. Es geht dabei um zwei der wichtigsten Argumente, mit denen Banken den Widerruf von Kunden regelmäßig zurückweisen: Verwirkung und Rechtsmissbrauch.

Beim Thema Verwirkung geht es um eine normalerweise selten genutzte und von den Gerichten nur in Ausnahmefällen angewendete Möglichkeit, einen eigentlich bestehenden Anspruch zu verwehren, weil sich der Anspruchsinhaber lange Zeit (sog. Zeitmoment) so verhalten hat, als würde er den Anspruch nicht geltend machen (sog. Umstandsmoment).

In diesen Fällen kann dem Betroffenen die Ausübung seiner Rechte im Einzelfall versagt sein, wenn der Anspruchsgegner vertrauen durfte, er werde nicht mehr in Anspruch genommen. Das bedeutet für den Widerrufsjoker: Der Darlehensvertrag ist entweder vor vielen Jahren abgeschlossen worden und/oder er ist bereits vollständig zurückgezahlt worden. Damit könnte das Zeitmoment erfüllt sein.

Keinen Ansatzpunkt gibt es – zumindest nach bisherigen Äußerungen des BGH – für das Umstandsmoment. Die Banken können demnach nicht geltend machen, dass sie darauf vertrauen könnten, dass der Kunde nicht mehr widerrufen würden. Es ist ja nicht so, dass die Banken völlig ahnungslos über ihre Fehler sind. Im Gegenteil: Die Banken wissen es sehr genau, wenn die Widerrufsklauseln in ihren Kreditverträgen mangelhaft sind. Und sie könnten dieses Problem aus der Welt schaffen, indem sie allen Kunden eine neue korrigierte Version der Widerrufsbelehrung zuschicken.

Doch diese sogenannte Nachbelehrung würde automatisch eine neue Widerrufsfrist auslösen, die der Kunde dann nutzen könnte, um aus dem Darlehen auszusteigen. Deswegen scheuen die Banken diesen Weg bislang. Leider gibt es in den unteren Instanzen der Gerichte immer wieder Richter, die dennoch auf Verwirkung entscheiden. Die Rechtssprechung zu diesem Thema gleicht also derzeit einer Lotterie. Umso dringender wäre daher eine klare und unmissverständliche Aussage des BGH.

Ähnliches gilt beim zweiten Totschlag-Argument der Banken, dem sogenannten Rechtsmissbrauch. Die Argumentation der Banken lautet dabei: Das Widerrufsrecht sei eigentlich dazu da, um Verbraucher vor überhasteten Entscheidungen zu schützen und nicht, um ihnen Jahre später den Ausstieg aus Krediten zu ermöglichen, nur weil die Zinsen inzwischen gesunken sind.

Das mag sich auf den ersten Blick plausibel anhören – juristisch ist es jedoch Unsinn. Denn das Widerrufsrecht kennt keine Motivationskontrolle. Wer sein Darlehen widerruft, der muss keine Begründung dafür liefern, warum er das tut. Der moralische oder ethische Aspekt ist hier völlig fehl am Platze. Leider verfängt dieses Argument der Banken dennoch bei einigen Gerichten, zuletzt sogar auf OLG-Ebene. Umso wichtiger wäre es, dass der BGH die am 23. Februar anstehende Verhandlung nutzt, um auch hier eine klare Aussage zu treffen. Diese hätte dann eine weitreichende Wirkung für zahlreiche andere Kreditverträge.

Bei einer positiven Entscheidung des BGH könnte es zu einer neuen Welle an Kredit-Widerrufen kommen. Verbraucher sollten daher bereits jetzt ihre Kreditverträge bei der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info) kostenlos darauf überprüfen lassen, ob sie eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung aufweisen und daher angreifbar sind. Damit sind Sie gerüstet, um nach einer BGH-Entscheidung schnell handlungsfähig zu sein.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Michael

    Hallo alle zusammen,

    wenn ich das bei Spiegel online Richtig gelesen habe ist das Urteil nicht gut gelaufen.
    Ich hoffe das ist nicht zum Nachteil der Personen die noch widerrufen können und wollen.

    Danke

    1. Karl

      Hallo,

      das Urteil gilt grundsätzlich nur zwischen den streitenden Parteien und auch nur für die jeweils streitige Widerrufsbelehrung. Insofern ist jeder Fall gesondert zu bewerten. Das Urteil gilt nicht für und gegen alle anderen. Also, nicht verunsichern lassen!!

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