Widerrufsjoker: So hebeln Sie die Beschränkung des Widerrufs für prolongierte Baufinanzierungen aus

Aufgrund des Ansturms von Verbrauchern, die ihre Baufinanzierung widerrufen haben, hat der Gesetzgeber Mitte 2016 den Widerruf von älteren Darlehen (abgeschlossen vor Juni 2010) ausgeschlossen. Doch es gibt eine Lücke, mit der Sie auch heute noch einen solchen Kredit angreifen können. Voraussetzung ist, dass das Darlehen verlängert (prolongiert) wurde. Dann kann der Widerrufsjoker weiterhin stechen.

Gute Nachrichten für alle Immobilienbesitzer, die eine bestehende Baufinanzierung im Wege des Fernabsatzes verlängert haben. Sie können weiterhin den Widerrufsjoker nutzen und damit aus einer teuren Baufinanzierung aussteigen. Voraussetzung ist, dass der Kunde lediglich postalisch oder per Mail ein Prolongationsangebot seiner Bank bekommen hat und dieses unterschrieben zurückgeschickt hat, ohne dabei in der Bankfiliale gewesen zu sein. In diesem Fall greift der gesetzliche Ausschluss des Widerrufsrechts für Immobilienkredite nicht.

Denn ein Vertrag, den ein Verbraucher abschließt, ohne in den Räumen des Kreditinstituts gewesen zu sein, fällt unter das sogenannte Fernabsatzrecht. Hier gelten besonders strenge Regeln, was den Schutz des Verbrauchers angeht. Verbraucher müssen auf jeden Fall über ihr Widerrufsrecht für solche Verträge belehrt werden.

Die Erfahrungen der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info) zeigen jedoch, dass die meisten Kreditinstitute keine entsprechende Belehrung vorgenommen haben, wenn es um die Verlängerung einer Baufinanzierung ging. Stattdessen wurde dem Kunden häufig nach Ablauf der Zinsbindung lediglich ein kurzes Dokument zugeschickt, das mit „Konditionenneuvereinbarung“ oder „Anschlusszinsvereinbarung“ überschrieben ist. Dort sind die neuen Eckdaten des Kredits (Zinssatz, Tilgung, Laufzeit) festgehalten. Das Schreiben enthält jedoch keine Widerrufsbelehrung und wird vom Kunden unterschrieben und zurückgeschickt. Fertig ist die neue Baufinanzierung, die den Kunden dann weitere 10 oder 15 Jahre an den vereinbarten Zinssatz bindet.

Doch hier haben die Banken einen entscheidenden Fehler gemacht: Denn für eine solche Prolongation, die lediglich postalisch (oder per Fax) vorgenommen wird, ist eine Widerrufsbelehrung für den Fernabsatz nötig. Diese fehlt jedoch in den meisten Fällen. Damit ist diese Verlängerung der Baufinanzierung für den Kunden mit Hilfe des sogenannten Widerrufsjokers widerrufbar. Das hat auch das Landgericht Nürnberg-Fürth entschieden (Urteil vom 08. Dezember 2014 – 6 O 3699/14). Bei einem erfolgreichen Widerruf erfolgt eine Rückabwicklung der Prolongation. In der Regel kann der Kunde dadurch sofort aus dem Darlehen aussteigen und kann die aktuellen Niedrigzinsen für eine Umschuldung nutzen.

Besonders interessant ist das für jene Immobilienbesitzer, die eine bestehende Baufinanzierung wie beschrieben verlängert haben und bei denen diese Prolongation heute noch läuft. Dabei ist es unerheblich, wann der ursprüngliche Kreditvertrag abgeschlossen wurde und wann die Prolongation vorgenommen wurde – solange diese noch läuft. Die bekannten Fristen rund um den Widerrufsjoker (gültig nur für Verträge nach November 2002; kein Widerruf mehr möglich für Darlehen vor Juni 2010) gelten in diesem Fall nicht. Denn sie beziehen sich auf Regelungen für Immobilienkredite. Bei einer fehlerhaften Prolongation gilt jedoch das Fernabsatzrecht, das diese Fristen nicht kennt.

Immobilienbesitzer, die eine solche bereits prolongierte Baufinanzierung besitzen, können mit Hilfe der Interessengemeinschaft Widerruf unter www.widerruf.info kostenlos und unverbindlich prüfen lassen, ob der Widerrufsjoker in ihrem Fall noch greift. Dabei erfahren Sie auch, wie Sie vorgehen müssen, um erfolgreich aus dem laufenden Darlehen auszusteigen. Gleichzeitig prüfen wir auch, ob eine Rechtsschutzversicherung für die Kosten eines möglichen Rechtsstreits mit der Bank aufkommen muss.

Verbraucher, die eine bestehende Baufinanzierung prolongiert haben und die aktuellen Niedrigzinsen für eine sofortige Umschuldung nutzen wollen, sollten daher prüfen lassen, ob der Ausstieg mit Hilfe des Widerrufsjokers für Sie möglich ist.

Dieser Beitrag hat 8 Kommentare

  1. Marc Schübel

    Sehr geehrter Herr Klaus,
    vielen Dank für diese Überlegungen. Ich frage mich allerdings, ob bei dem bloßen Widerruf der Prolongationsvereinbarung nach Fernabsatzrecht nicht der ursprüngliche Darlehensvertrag mit dem dortigen nachteiligen Zinssatz fortbesteht? Wenn dies so wäre, würde der Widerruf der Prolongationsvereinbarung doch nichts helfen, oder?

    Beste Grüße
    Schübel

    1. Roland Klaus

      Doch. Denn die Ursprungsdarlehen sind ja in der Regel schon längst aus der Zinsbindung heraus. Die Verträge sehen normalerweise vor, dass der Kredit nach der Zinsbindung in ein täglich kündbares Darlehen mit variablem Zinssatz übergeht. Damit würde bei Widerruf der Prolongation der Kunde in ein solches variables Darlehen zurückfallen.
      Er könnte demnach entweder sofort regulär kündigen oder mit der Bank eine neue Zinsbindung zu den gültigen Marktzinsen vereinbaren.

  2. Schäfer

    Hallöchen!
    Wir haben eine solche Prolongation mit dem Vermerk Anschlusszinsvereinbarung!
    Ein Darlehen ist bis 2024 fest und das andere ist variabel gestellt worden!

    Hieße ja dann, dass die Restschuld aus 2014 in eine neue Finanzierung gerechnet wird und die Zinsen von der Bank zurückgezahlt werden müssen!

    Ich habe die Zinsänderungsvereinbarung kontrolliert und keine Widerrufsbelehrung gefunden !
    Formular : Stand Juni 2010

    Ich würde Ihnen gern den Vertrag zur Prüfung zusenden

  3. Kleinknecht, Uwe

    Sehr geehrter Herr Klaus,

    ich habe folgendes Fallbeispiel:

    Der ursprüngliche Immobilien-Darlehensvertrag mit der Sparda-Bank BW (Laufzeit 4 Jahre, Zinssatz 4,2 %) ist datiert auf April 2010.
    Im Rahmen einer Forward-Prolongation wurden im Jahr 2013 die Konditionen ab 2014 bis Mai 2022 (Zinssatz 2,7 %) rein postalisch und somit “im Fernabsatz” neu vereinbart, ohne dass eine Widerrufsbelehrung erfolgt ist bzw. den Vertragsunterlagen beilag – wenn ich Ihre Beiträge richtig verstanden habe, handelt es sich aufgrund des “Forward-Sachverhalts” um einen neuen, eigenständigen Darlehensvertrag, weshalb alleine schon (und auch aufgrund der strengen Informationspflichten auf Basis des Fernabsatzrechts) eine Widerrufsbelehrung hätte erfolgen müssen.

    Angenommen, mein Widerruf hätte Erfolg und der prolongierte Vertrag würde rückabgewickelt werden (Rückerstattung der jeweils gezogenen Nutzungen bzw. Rückerstattung des Darlehens):
    besteht dann evtl. sogar die Gefahr, dass von 2013 bzw. von 2014 bis zum Widerruf in 2021 rückwirkend wieder der ursprüngliche Darlehensvertrag mit den höheren Kreditzinsen gilt und dass ich der Bank dann sogar noch rückwirkend höhere Zinsen erstatten müsste? In einem solchen Fall wäre ein Widerruf ja generell unsinnig, wenn der ursprüngliche Darlehensvertrag höhere Kreditzinsen beinhaltet als der prolongierte Vertrag…

    Vorab vielen Dank und mit freundlichen Grüßen,
    Uwe Kleinknecht

    ***

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