Widerrufsjoker: Urteil des BGH zum Kredit-Widerruf könnte die Spielregeln noch einmal ändern

Bevor der Gesetzgeber mit einem neuen Gesetz für Immobilienkredite Mitte nächsten Jahres das Aus für den sogenannten Widerrufsjoker einläutet, könnte es noch einmal Rückenwind für Verbraucher geben, die mit dem Widerruf eines Darlehens liebäugeln. Denn für den 1. Dezember ist eine wichtige Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) angesetzt. Und wenn nicht alles täuscht, werden die obersten deutschen Richter dann Klartext reden.

In dem Verfahren, das unter dem Aktenzeichen XI ZR 180/15 vor dem Bankensenat des BGH verhandelt wird, geht es darum, dass ein Anleger in einen Investmentfonds investiert hatte und gleichzeitig zur Finanzierung ein Darlehen abgeschlossen hatte. Nachdem sich der Investmentfonds nicht so entwickelt hatte wie erwartet, widerrief der Verbraucher das Darlehen mit dem Hinweis auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung und forderte eine Rückabwicklung des gesamten Geschäfts – also Kreditaufnahme und Fondsinvestment.

In den unteren Instanzen kam er damit nicht durch. Zwar sei die Widerrufsbelehrung des Kreditvertrages fehlerhaft und auch eine Verwirkung des Widerrufsrechts sei nicht gegeben, urteilte das OLG Hamburg. Doch es gebe einen anderen Knackpunkt: Der Anleger habe sich mit seinem Kredit-Widerruf treuwidrig verhalten. Denn es sei ihm in erster Linie darum gegangen, sich von dem verunglückten Investment zu lösen. Der Widerruf des Darlehens sei dabei nur Mittel zum Zweck und die falsche Widerrufsbelehrung sei eigentlich irrelevant, so die Richter am Oberlandesgericht.

Doch was hat das nun mit dem Widerrufsjoker, also dem Widerruf von Baufinanzierungen, zu tun? Nun, auf den ersten Blick ist der Fall tatsächlich anders gelagert. Doch bei näherer Betrachtung ergeben sich deutliche Parallelen. Denn auch beim Widerruf von Immobilienkrediten argumentieren Banken (und auch einige Gerichte) immer wieder, dass der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht nur deshalb Gebrauch macht, weil die Zinsen seit dem Abschluss des Darlehens deutlich gesunken sind und er sich eine deutliche Zinsersparnis erwartet. Im Juristendeutsch heißt das dann, der Verbraucher handele rechtsmissbräuchlich oder treuwidrig. Der Widerruf sei also – hier wie dort – nur ein Vorwand, um sich einen wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen.

Umso spannender wird es sein, zu sehen wie der BGH am 1. Dezember in diesem Fall entscheidet. Bislang gelten die obersten Richter als durchaus verbraucherfreundlich. Überträgt man die bisherigen Leitlinien auf den aktuellen Fall, so wäre zu erwarten, dass der Klage des Verbrauchers stattgegeben wird. Denn die Zulässigkeit eines Widerrufs, so könnte man argumentieren, ist völlig unabhängig von der Motivation des Widerrufenden zu sehen.

Oder anders gesagt: Wer das Verbraucherrecht auf seiner Seite hat, muss sich nicht auch noch eine gute Begründung einfallen lassen, warum er dieses Recht in Anspruch nimmt. Entscheidet der BGH nach dieser Maxime, dann wäre das auch noch einmal eine klare Ansage an die unteren Instanzen, wie die Sichtweise zum Widerrufsjoker ist. Etliche Gerichte, die bislang Klagen zum Widerruf von Immobilienfinanzierungen abgewiesen haben, müssen ihre Rechtsprechung dann überdenken, wenn sie sich nicht in Widerspruch zum BGH begeben wollen.

Zudem ist es durchaus denkbar, dass es sich die obersten Richter nicht nehmen lassen, in diesem Zusammenhang auch ihre Meinung zum Thema Verwirkung des Widerrufsrechts deutlich zu machen.

Erinnern wir uns: Im Juni war ein Urteil zu diesem Thema auf der Tagesordnung des BGH. Doch der Fall wurde kurzfristig abgesagt, nachdem die Bank den Kläger durch eine hohe Geldzahlung davon überzeugt hatte, seine Klage zurückzuziehen. Deswegen wäre es gut möglich, dass die obersten Richter den jetzigen Fall dazu nutzen, auch zum Thema Verwirkung eine klare Leitlinie vorzugeben.

Dies käme durchaus noch rechtzeitig, bevor das neue Gesetz für Immobilienkredite im Juni nächsten Jahres die Möglichkeit eines Widerrufs für Altdarlehen (Kredite, die bis 2010 abgeschlossen wurden) beendet. Es bleibt nur zu hoffen, dass der Kläger in dem am 1. Dezember zu entscheidenden Fall standhaft bleibt und sich nicht (wie im Juni geschehen) durch eine Geldzahlung der Bank dazu verleiten lässt, seine Klage zurück zu ziehen.

Wir erwarten bei der Interessengemeinschaft Widerruf, dass ein positives BGH-Urteil noch einmal ein verstärktes Interesse am Widerrufsjoker nach sich ziehen wird. Verbraucher sollten daher jetzt schon ihren Kreditvertrag kostenlos prüfen lassen, um nach dem Urteil möglichst schnell handeln zu können.

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