Vorfälligkeitsjoker – BGH entscheidet: Keine Vorfälligkeitsentschädigung bei Verkauf der Immobilie

Eine Vertragsklausel in einer Baufinanzierung wird einer Bank zum Verhängnis. Sie verliert bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits den Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung. Das hat der Bundesgerichtshof nun entschieden – und wird damit vermutlich eine Klagewelle rund um den sogenannten Vorfälligkeitsjoker auslösen. Denn zahlreiche Banken sind betroffen.

Ein Kreditvertrag für einen Immobilienkauf ist ein kompliziertes Dokument. So kompliziert, dass manchmal noch nicht einmal die Banken genau verstehen, was sie ihren Kunden zur Unterschrift vorlegen. Und weil viele Banken ähnliche Textbausteine in ihren Verträgen verwenden, kann es passieren, dass sich ein Fehler über etliche Jahre und viele zehntausend Dokumente zieht, bis jemand auf ihn aufmerksam wird – und dann die Bombe platzt.

So geschehen ist das nun durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Az. XI ZR 75/23). Die obersten Richter haben das OLG Zweibrücken (7 U 14/22) bestätigt, das zuvor geurteilt hatte, dass eine Bank ihrem Kunden eine Vorfälligkeitsentschädigung wegen Vertragsfehlern zurückzahlen muss. Das Thema hatte Banken und Gerichte seit einiger Zeit beschäftigt. Durch die Entscheidung des BGH ist nun jedoch endgültig „der Deckel drauf“.

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Kein Anspruch bei fehlerhaftem Vertrag

Dabei geht es um eine Vertragsklausel, mit der Banken regeln, was passiert, wenn der Kunde einen Immobilienkredit vorzeitig zurückzahlt, beispielsweise weil er die Immobilie verkauft. Dann hat die Bank unter Umständen Anspruch auf eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung. Damit soll sichergestellt werden, dass dem Kreditinstitut kein finanzieller Nachteil entsteht, wenn der Kunde das Darlehen vorzeitig kündigt und tilgt.

Das Gesetz (§502 BGB) besagt jedoch, dass die Bank ihren Anspruch verliert, wenn die Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung im Kreditvertrag unzureichend sind. Und genau dies ist über viele Jahre und bei etlichen Banken passiert. So heißt es in dem Kreditvertrag einer Genossenschaftsbank, über den der BGH nun entschieden hat, dass ein möglicher Zinsschaden der Bank berechnet wird, indem Pfandbriefe mit der „Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens“ herangezogen werden.

Begriff „Restlaufzeit“ ist fehlerhaft

Der Begriff „Restlaufzeit“ ist dabei der Knackpunkt. Denn darunter versteht man die Dauer bis zur vollständigen Tilgung des Darlehens. Diese Frist ist jedoch völlig unerheblich für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung. Relevant wäre vielmehr die Frist bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kunde frühestens aus einem Darlehen aussteigen kann – entweder weil die Zinsbindung endet oder weil er von einem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen kann.

Die Unterschiede sind gewaltig: Die Laufzeit von Baufinanzierungen liegt zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses meist – je nach Höhe der Tilgungsrate – zwischen 15 und 35 Jahren. Der Kunde kann jedoch sehr viel früher aus einem Darlehen aussteigen, nämlich spätestens nach 10,5 Jahren durch ein Sonderkündigungsrecht, teilweise auch früher, wenn er eine kürzere Zinsbindung vereinbart hat.

Somit macht es einen erheblichen Unterschied, ob man für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung den Zinssatz einer Anleihe mit einer Laufzeit von beispielsweise zehn Jahren oder von 25 Jahren heranzieht. Aus diesem Grund stellt der BGH fest: Der Kunde habe die Vorfälligkeitsentschädigung ohne rechtlichen Grund gezahlt. Er habe einen Anspruch auf Rückerstattung. In dem Fall ging es um gut 10.000 Euro zuzüglich Zinsen.

Diese Banken sind betroffen

Was bedeutet die BGH-Entscheidung nun für Verbraucher? Da Banken fehlerhafte Formulierungen über mehrere Jahre in ihren Verträgen verwendet haben, gibt es gute Chancen, den sogenannten „Vorfälligkeitsjoker“ zu ziehen und eine Vorfälligkeitsentschädigung zu sparen oder erstattet zu bekommen. Unmittelbar von der BGH-Entscheidung betroffen sind Kunden genossenschaftlicher Banken. Nach Analysen der Interessengemeinschaft Widerruf sind jedoch auch Verträge weiterer Kreditinstitute fehlerhaft. Angreifbar sind somit unserer Meinung nach Hypothekenkredite, die ab 2016 unter anderem bei diesen Banken abgeschlossen wurden:

  • Volksbanken und Raiffeisenbanken
  • Sparda Banken
  • PSD Banken
  • andere genossenschaftliche Banken, wie BB Bank, etc.
  • Sparkassen
  • Commerzbank

In der Regel stammen die fehlerhaften Darlehen aus dem Zeitraum 2016 bis etwa 2021.

Verbraucher, die in diesem Zeitraum eine Immobilie verkauft haben oder planen, dies zu tun, sollten prüfen lassen, ob die BGH-Entscheidung auf ihren Fall angewendet werden kann. Eine solche Prüfung bietet – kostenlos und unverbindlich – die Interessengemeinschaft Widerruf. Falls ein Rechtsstreit nötig wird, werden die Kosten häufig von einer Rechtsschutzversicherung übernommen. Ist dies nicht der Fall, kann ein Prozessfinanzierer die Kosten übernehmen und erhält dafür im Gegenzug ein Erfolgshonorar.

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