Abgasaffäre: Moralische Bedenken bei VW Schadensersatz-Klage nicht angebracht

Aktionäre von Volkswagen haben nach Ansicht von Experten sehr gute Chancen auf Schadensersatz aufgrund der Abgasaffäre. Moralische Bedenken, das eigene Unternehmen zu verklagen, sind dabei fehl am Platze.

 

Die Ausgangsbasis scheint klar zu sein: Wer VW-Aktien nach September 2013 gekauft hat und diese zur Bekanntgabe der Abgasmanipulationen (Dieselgate) noch gehalten hat, der wurde von der Unternehmensführung mit hoher Wahrscheinlichkeit geschädigt. Denn zu diesem Zeitpunkt waren die Manipulationen in der Unternehmensspitze bekannt, ohne dass diese unterbunden oder der Öffentlichkeit gemeldet wurden. Auch die Tatsache, dass in den USA bereits wegen dieser Vorgänge ermittelt wird, dürfte der Vorstand spätestens ab Mitte 2014 gewusst haben.

Experten sind deshalb der Meinung, dass VW-Aktionäre sehr gute Chancen auf Schadensersatz haben. Die Interessengemeinschaft Widerruf bietet mit Hilfe einer renommierten Anwaltskanzlei sogar eine Prozessfinanzierung an, mit der Anleger keinerlei Kostenrisiko eingehen. Auf dem Spiel stehen jene Kursverluste, die die VW-Aktien im unmittelbaren zeitlichen Umfeld der Veröffentlichung der Abgasmanipulationen im September 2015 erlitten haben. Dieser sogenannte Kursdifferenzschaden beträgt 61,80 Euro je VW-Vorzugsaktie und 56,20 Euro je Stammaktie. Er kann zurückgefordert werden, ohne dass der Anleger beweisen muss, dass er die Aktien nicht gekauft hätte, wenn er von den Abgasmanipulationen gewusst hätte. An dieser Beweispflicht des Anlegers sind in der Vergangenheit etliche Schadensersatzfälle gescheitert.

Verklagt wird dabei das Unternehmen Volkswagen. Das bedeutet: Mögliche Schadensersatzzahlungen zahlt der Anleger quasi an sich selbst. Denn natürlich ist jeder Euro Schadensersatz, zu dem Volkswagen verurteilt wird, ein Euro weniger in den Taschen jenes Unternehmens, das seinen Aktionären gehört.

Und hier fangen bei manchem Aktionär die Bedenken an: „Soll ich wirklich mein eigenes Unternehmen verklagen?“, fragen manche. „Gefährde ich damit nicht letztlich auch Arbeitsplätze oder sorge ich für weitere Kursverluste?“ So nobel solche moralische Bedenken auch sind – die Antwort ist zumindest aus Sicht der Privataktionäre eindeutig: Ein Verzicht auf eine Klage lohnt sich nicht – und sie rettet aller Voraussicht nach keine Arbeitsplätze. Denn es zeichnet sich nach unseren Recherchen ganz deutlich ab, dass so gut wie alle großen Fondsgesellschaften und sonstige institutionellen Anleger sich an den Klagen beteiligen werden. Allein dies macht Milliardenforderungen aus.

Ob sich private Aktionäre in nennenswerter Zahl ebenfalls den Klagen anschließen, macht da „den Kohl nicht mehr fett“ – denn es dürfte die Summe der Ansprüche nur unwesentlich erhöhen. Letztlich schneidet sich jeder Anleger, der sich nicht an den Klagen beteiligt, selbst ins eigene Fleisch. Denn zum einen wird er als VW-Aktionär die (voraussichtlichen) Schadensersatzzahlungen an die Großanleger bezahlen müssen – zum anderen verzichtet er auf seinen eigenen Anspruch, wenn er nicht klagt.

Und was die Arbeitsplätze angeht: Wenig spricht derzeit dafür, dass Volkswagen aufgrund der Schadensersatzansprüche Stellen streichen muss. Zum einen hat das Unternehmen einen ansehnlichen Bestand an Liquidität. Zum anderen scheint die aktuelle Auftragslage gut zu sein. Und im schlimmsten Fall sind Verkäufe von Unternehmensteilen eine Möglichkeit.

Daher sollten VW-Anleger mit Hilfe der Interessengemeinschaft Widerruf unter www.widerruf.info/vw prüfen lassen, ob für sie eine Schadensersatzklage in Frage kommt und sinnvoll ist. Doch dabei sollten Sie keine Zeit verlieren: Denn bereits Mitte September 2016 greift eine erste Verjährungsfrist, die Aussichten reduziert. Wer auf eine Prozessfinanzierung zurückgreifen möchte, muss sich sogar bis Ende August bei der IG Widerruf melden.

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