Widerrufsjoker lebt: Spektakuläres Urteil erklärt viele Baufinanzierungen nach 2010 für fehlerhaft
Mit einem spektakulären Urteil hat das OLG Nürnberg den Widerrufsjoker für viele Kreditnehmer wiederbelebt. Es urteilt, dass eine Baufinanzierung aus dem Jahr 2010 fehlerhaft ist, obwohl die Widerrufsbelehrung des Kreditvertrags dem gültigen Mustertext entspricht. Das hat massive Auswirkungen: Denn dadurch können viele Baufinanzierungen, die nach Juni 2010 abgeschlossen worden sind, auch jetzt noch widerrufen werden. So sollten Sie jetzt mit Hilfe der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info) vorgehen.
Bisher haben wir bei der IG Widerruf gesagt: Kreditverträge, die in den Jahren 2010 und später geschlossen worden sind, haben nur noch vergleichsweise geringe Chancen auf einen erfolgreichen Widerruf. Doch einige aktuelle Gerichtsurteile lassen uns hier umdenken. Es sieht so aus, als hätten Immobilienkäufer auch mit jüngeren Darlehen gute Chancen den sogenannten Widerrufsjoker zu ziehen. Das Erfreuliche daran: Diese Darlehen sind von der in der jüngsten Gesetzesänderung gesetzten Frist nicht betroffen und können immer noch uneingeschränkt widerrufen werden. Die „Abschaffung“ des Widerrufsjokers mit Wirkung vom 21. Juni 2016 greift hier nicht.
Besonders bemerkenswert ist ein Urteil des OLG Nürnberg (14U/1780-15) aus dem Juli 2016. Dort wurde unter anderem ein Kreditvertrag aus dem November 2011 behandelt, dessen Widerrufsbelehrung textlich dem gültigen Mustertext entspricht. Normalerweise wurden diese Darlehen bisher als nicht angreifbar betrachtet – ein Widerruf war also nicht aussichtsreich. Dem machen nun die Nürnberger Richter einen Strich durch die Rechnung.
Bei den Darlehen, die nach Juni 2010 abgeschlossen wurden, ist das Widerrufsrecht in §492 BGB wie folgt geregelt: Die 14tägige Frist beginnt dann zu laufen, wenn der Kreditnehmer sogenannte Pflichtangaben ausgehändigt bekommt. Dabei handelt es sich um eine ganze Reihe von Informationen. In der Widerrufsbelehrung sind jedoch in der Regel nur drei davon beispielhaft genannt: die Art des Darlehens, der Nettodarlehensbetrag und die Angabe der Vertragslaufzeit. So sieht es der Mustertext vor und so haben es auch die meisten Banken in ihren Kreditverträgen umgesetzt.
Das OLG Nürnberg urteilt nun, dass diese beispielhafte Aufzählung nicht ausreichend ist. Sie „ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn verlässlich und mit zumutbarem Zeitaufwand zu ermitteln. Denn ihm wird – von den beispielhaft genannten drei Pflichtangaben abgesehen – nicht aufgezeigt, wie viele und welche Pflichtangaben auf seinen konkreten Vertrag bezogen existieren und welche weiteren Pflichtangaben er ggf. noch erhalten muss. Damit ist nicht klar, wann die Frist zum Widerruf beginnt.“
Auf den Schutz des Mustertextes kann sich die Bank ebenfalls nicht berufen, wenn sie die Widerrufsbelehrung nicht optisch deutlich hervorgehoben hat. Das aber haben viele Bank nach 2010 nicht gemacht – Pech gehabt. Verbrauchern steht deshalb nun der Weg zum erfolgreichen Widerruf offen. Damit können sie aus diesen Baufinanzierungen aussteigen und die niedrigen Zinsen für eine Umfinanzierung nutzen. Zusätzlich steht ihnen für die bereits abgelaufene Kreditlaufzeit eine Verzinsung ihrer Zahlungen (die sogenannte Nutzungsentschädigung) durch die Bank zu. Wie hoch die individuelle Ersparnis eines Widerrufs ist, kann im Rückabwicklungsrechner der IG Widerruf berechnet werden.
Wie sollten Verbraucher, die eine solche Baufinanzierung abgeschlossen haben, nun vorgehen? Zunächst einmal sollten sie anwaltlich prüfen lassen, ob ihr Darlehensvertrag von dem neuen Urteil betroffen ist und widerrufen werden kann. Dies ist bei der IG Widerruf kostenlos und unverbindlich möglich. Bitte nutzen Sie dazu unser Prüfungsformular. Bei dieser Gelegenheit prüfen wir auch, ob eine Rechtsschutzversicherung greift oder eine Prozessfinanzierung in Frage kommt.
Ergibt die Prüfung, dass der Darlehensvertrag angreifbar ist, dann erfahren Sie im Anschluss, welche konkreten Schritte zur Umsetzung eines erfolgreichen Widerrufs zu gehen sind. Mit dem neuen Urteil des OLG Nürnberg ergeben sich für viele Kreditnehmer neue Perspektiven, aus einer teuren Baufinanzierung auszusteigen – betroffene Verbraucher sollten daher unbedingt ihre Ausssichten prüfen lassen.