OLG-Urteil: Forward-Prolongation kann frühzeitig gekündigt werden – ohne Vorfälligkeitsentschädigung
Viele Immobilienbesitzer ärgern sich angesichts des Rekordtiefs bei Bauzinsen darüber, dass sie in der Zinsbindung eines teuren Immobilienkredits festhängen. Dabei können sie häufig mit Hilfe einer Sonderkündigung aussteigen – oft sogar früher als es der Bank lieb ist.
Wer eine Baufinanzierung mit Hilfe eines sogenannten Forward-Kredits frühzeitig verlängert hat, kann früher aus einem laufenden Kredit aussteigen als gedacht. Das zeigen mehrere Gerichtsurteile, beispielsweise vom OLG München (19 U 4269/16). Damit können Hausbesitzer viel Geld sparen, weil sie die Hypothekenzinsen radikal senken.
Das geht so: Grundsätzlich haben private Kreditnehmer nach §489 BGB ein sogenanntes Sonderkündigungsrecht für Baufinanzierungen. Das bedeutet: Sie können zehn Jahre nach Auszahlung das Darlehen mit einer Frist von sechs Monaten kündigen – und zwar unabhängig davon, welche Zinsbindung sie ursprünglich vereinbart haben.
Spannend wird es jedoch, wenn der Kredit bereits einmal mit einem sogenannten Forward-Darlehen bei der gleichen Bank verlängert wurde. Dies ist dann der Fall, wenn bereits vor Auslaufen der ursprünglichen Zinsbindung eine neue Zinsbindung eingegangen wird. Dahinter steckt in der Regel der Wunsch, sich niedrige Zinsen zu sichern, weil man mit deren Anstieg rechnet.
Ein Beispiel: Ein Ehepaar kauft im Jahr 2004 eine Immobilie und finanziert diese mit einem klassischen 10-Jahres-Hypothekendarlehen, somit also mit einer Zinsbindung bis 2014. Im Januar 2010 sind die Bauzinsen von sechs auf vier Prozent gesunken. Das Ehepaar befürchtet, dass die Zinsen wieder steigen könnten und schließt daher eine Forward-Prolongation ab, um sich die vermeintlich günstigen Zinsen zu sichern. Es verlängert also das Darlehen nach Ablauf der zu diesem Zeitpunkt laufenden Zinsbindung um weitere zehn Jahre – also von 2014 bis 2024 – zu einem Zinssatz von 4,5 Prozent.
Wie wir inzwischen alle wissen, sind die Zinsen nach 2010 aber nicht gestiegen, sondern massiv gefallen. Somit hängt unser Ehepaar also noch bis 2024 in seinem teuren Kredit fest. Zumindest dann, wenn man die Bank fragt – oder seine Rechte nicht genau kennt.
Tatsächlich gibt es auch für diese Prolongation ein Sonderkündigungsrecht. Doch dieses greift nicht zehn Jahre nach Beginn der Zinsbindung, sondern in diesem Fall zehn Jahre nach Abschluss der Verlängerung.
In unserem Beispiel heißt das, dass das Ehepaar bereits im Januar 2020 kündigen kann und nach sechsmonatiger Frist im Juli 2020 aus dem teuren Darlehen herauskommt. Leider wehren sich nach unserer Erfahrung viele Banken gegen diese Lesart, obwohl das Gesetz eindeutig ist. Sie bestehen darauf, dass die Sonderkündigung erst zehn Jahre nach Beginn der Zinsbindung möglich sein soll.
Doch das gilt bei Forward-Prolongationen eben nicht. Häufig benötigen Verbraucher einen Anwalt, teilweise auch den Gang vor Gericht, um ihre Rechte durchzusetzen. Diesen Weg sollten Betroffene nicht scheuen, zumal die Chancen sehr gut sind und es um erhebliche Summen geht.
Das veranschaulicht unser Beispiel: Unterstellen wir, dass das Ehepaar eine neue Finanzierung aktuell zu einem Zinssatz von einem Prozent abschließen kann und dank der Kündigung dreieinhalb Jahre früher aus dem alten Darlehen herauskommt. Dann sparen die Kreditnehmer je 100.000 Euro Kreditsumme mehr als 10.000 Euro. Es lohnt sich also, hier hartnäckig zu sein!
Wer wissen möchte, ob seine Baufinanzierung für eine solche Sonderkündigung in Frage kommt, kann dies kostenlos und unverbindlich bei der Interessengemeinschaft Widerruf prüfen lassen. Anders als beim sogenannten Widerrufsjoker, bei dem nur noch Darlehen aussichtsreich sind, die nach Juni 2010 abgeschlossen worden sind, gibt es bei der Sonderkündigung keine Ausschlussfrist. In Frage kommen also auch alte Baufinanzierungen, die über ein Forward-Darlehen verlängert worden sind.
Gibt es zu dem „BGH-Urteil“ (Überschrift) ein Aktenzeichen und Entscheidungsdatum? Danke.
Nein, das war leider ein Fehler von mir. Es handelt sich nicht um ein BGH-Urteil, sondern um das im Text mit Aktenzeichen erwähnte OLG-Urteil. Danke für den Hinweis.