Widerrufsjoker – OLG Köln: Baufinanzierung wegen falschem Effektivzins widerrufbar

Ein privater Immobilienkredit kann vom Verbraucher noch Jahre nach Abschluss widerrufen werden, wenn die Angabe zum Effektivzins im Kreditvertrag fehlerhaft ist. Das hat das OLG Köln jetzt in einem wegweisenden Urteil gegen eine Sparkasse festgestellt.

 

Der sogenannte Widerrufsjoker bringt Kreditnehmern in vielen Fällen einen Vorteil von mehreren tausend Euro, wenn sie vorzeitig aus einem teuren Darlehen aussteigen können, ohne eine Vorfälligkeitsentschädigung zu bezahlen. Voraussetzung sind Formfehler in den Darlehensverträgen, die verhindern, dass die Widerrufsfrist zu laufen beginnt.

Hier können Sie Ihren Kreditvertrag kostenlos und unverbindlich durch einen erfahrenen Anwalt prüfen lassen.

Nun hat das OLG Köln in einem aufsehenerregenden Urteil (Az. 4 U 102/18) einen Fehler gerügt, den viele Verbraucherschützer bisher nicht „auf dem Radarschirm“ hatten, der sich aber gleichzeitig in vielen Verträgen finden dürfte. In dem Fall geht es um eine Baufinanzierung, die der Kunde im Jahr 2011 bei einer Sparkasse abgeschlossen hatte. Ende 2016 hat er den Kredit widerrufen. Das Gericht urteilte nun, dass der Widerruf zurecht erfolgt ist.

Das bedeutet, dass der Kunde weit vor dem Ende der Zinsbindung aus dem teuren Darlehen aussteigen kann und einen anderen Kredit zu den aktuellen Niedrigzinsen aufnehmen kann. Zudem schuldet er der Bank seit dem Widerruf keine Zinsen mehr. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Die Bank kann Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) einlegen.

Damit die Widerrufsfrist eines Kredits ordnungsgemäß zu laufen beginnt, muss die Bank dem Kunden sogenannte Pflichtangaben mitteilen. Dazu gehört beispielsweise auch der Effektivzins, den der Verbraucher bezahlen muss. Er orientiert sich an dem nominalen Zins, berücksichtigt aber darüber hinaus noch weitere Faktoren, beispielsweise Gebühren.

Im vorliegenden Fall hatte die Bank diesen Effektivzins falsch berechnet. Statt korrekten 3,77 Prozent standen im Kreditvertrag nur 3,70 Prozent. Grund war, dass offenbar nur mit 360 Tagen pro Jahr gerechnet worden war, anstatt mit 365 Tagen bzw. 366 Tagen in einem Schaltjahr. Auch eine solch vergleichsweise geringe Abweichung sorge bereits dafür, dass der Effektivzins falsch ausgewiesen sei, so die Kölner Richter.

Ein solcher Fehler sei gleichbedeutend mit einer fehlenden Pflichtangabe. Ergo habe die Widerrufsfrist des in 2011 geschlossen Kredits nicht zu laufen begonnen. Der Widerruf des Kunden in 2016 war also berechtigt und führt zu einer Rückabwicklung der Baufinanzierung – der Widerrufsjoker greift also in diesem Fall.

Bisher hatten viele Verbraucher und ihre Anwälte diesen Fehler häufig nicht gerügt, da sie sich bei der Prüfung darauf konzentriert haben, ob die Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist und die Pflichtangaben im Vertrag vollständig sind. Eine Überprüfung von Baufinanzierungen, die wir bei der Interessengemeinschaft Widerruf vorgenommen haben, zeigt jedoch, dass ein falsch angegebener Effektivzins kein Einzelfall ist.

Für Immobilienbesitzer ergibt sich daher eine völlig neue Möglichkeit, den Widerrufsjoker für sich zu nutzen. In Frage kommen ab Juni 2010 abgeschlossene Kredite. Diese weisen häufig auch weitere kritische Formfehler auf, wie teilweise auch schon der BGH zugunsten von Verbrauchern geurteilt hat. Zunächst sollte der Darlehensvertrag durch einen Experten geprüft werden. Eine solche Prüfung bieten spezialisierte Anwälte, beispielsweise kostenlos und unverbindlich bei der Interessengemeinschaft Widerruf.

Ergibt die Prüfung, dass der Kreditvertrag fehlerhaft ist, kann der Kunde das Darlehen bei der Bank widerrufen. Unsere Erfahrung zeigt jedoch, dass dieser Widerruf zumeist abgelehnt wird, solange er nur vom Kunden kommt. In der Regel kann ein Ausstieg aus dem Kredit dann erst mit anwaltlicher Hilfe durchgesetzt werden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.