Widerrufsjoker: Spatz in der Hand oder Taube auf dem Dach?
Wer mit Hilfe eines Widerrufs seiner Baufinanzierung aus dem Darlehen aussteigen möchte oder den Zinssatz deutlich senken will, hat im wesentlichen zwei Möglichkeiten, sein Ziel zu erreichen: Entweder versucht er mit Hilfe eines Anwalts einen außergerichtlichen Vergleich mit dem Kreditinstitut zu erzielen – oder er reicht Klage ein und sucht den Erfolg beim Widerrufsjoker vor Gericht.
Wobei die beiden Möglichkeiten sich nicht gegenseitig ausschließen. Häufig wird zunächst außergerichtlich eine akzeptable Lösung gesucht. Gelingt dies nicht (in der Regel, weil die Bank blockt), dann zieht man vor Gericht.
Das Ganze ähnelt der Frage nach dem Spatz in der Hand oder der Taube auf dem Dach: Der außergerichtliche Vergleich ist dabei der Spatz in der Hand. Er ist in etlichen Fällen ohne großes Kostenrisiko und vergleichsweise schnell zu erzielen. Dafür ist der wirtschaftliche Vorteil geringer. Er bezieht sich normalerweise auf den Zinsvorteil für die noch ausstehende Zinsbindung des Darlehens. In der Regel wird der Zinssatz in die Nähe des aktuell gültigen Marktzinses reduziert. Aus vier Prozent können da schnell weniger als zwei Prozent werden. Ansprüche aus der zurückliegenden Laufzeit des Darlehens fallen dabei in der Regel unter den Tisch.
Wer dagegen vor Gericht zieht, der setzt auf eine Rückabwicklung des Darlehens. Der wirtschaftliche Vorteil, der sich daraus ergeben kann, ist deutlich größer als bei einer bloßen Absenkung des Zinses. Denn eine Rückabwicklung berücksichtigt auch, dass in der abgelaufenen Kreditlaufzeit zu hohe Zinsen bezahlt wurden. Nicht selten verdoppelt sich dadurch die Ersparnis für den Kunden. Der Weg dahin ist aber steinig. Ein Prozess ist teuer, wenn keine Rechtsschutzversicherung oder ein Prozessfinanzierer einspringt. Zudem kann sich ein Verfahren über mehrere Jahre hinziehen – erst recht, wenn es in die Berufung geht.
Kreditnehmer müssen sich also entscheiden, ob sie den Spatz in der Hand haben wollen oder die Taube auf dem Dach. Bei etlichen Kreditinstituten fällt die Antwort leicht: Banken wie die Deutsche Bank, Commerzbank oder DKB sind bislang außergerichtlich grundsätzlich nicht kompromissbereit. Anders sieht es aus bei Kreditinstituten wie der ING Diba, den Sparda Banken sowie zahlreichen Volksbanken und Sparkassen. Dort besteht – zumindest in Teilbereichen – eine außergerichtliche Kompromissbereitschaft.
Wer das Thema vernünftig angehen will, sollte zunächst seinen Kreditvertrag von einem erfahrenen Anwalt auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung prüfen lassen (beispielsweise kostenlos bei der Interessengemeinschaft Widerruf). Danach sollte er mit dem Anwalt besprechen, welche Reaktion von seiner Bank zu erwarten ist und welche Vorgehensweise sinnvoll erscheint. Grundsätzlich raten wir dazu, nicht allzu gierig zu sein, wenn das Kreditinstitut Kompromissbereitschaft zeigt. Vor allem, wenn die Kosten nicht durch eine Rechtsschutzversicherung oder einen Prozessfinanzierer abgedeckt wird, ist das Kostenrisiko einer Klage eine hohe Hürde.