Widerrufsjoker: Warum die Banken mit Rechtsmissbrauch beim Widerruf eines Darlehens argumentieren
Dass der Ausstieg aus einer teuren Immobilienfinanzierung mit Hilfe eines Widerrufs eine große Ersparnis für Kreditnehmer bringen kann, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Doch nicht immer geht es bei diesem sogenannten Widerrufsjoker ohne Widerstand der Kreditinstitute über die Bühne. In diesem Zusammenhang stoßen unsere Anwälte im Kern immer wieder auf zwei Argumente der Banken. Erstens: der Verbraucher habe sein Recht verwirkt, da seit dem Kreditabschluss schon so lange Zeit vergangen sei. Über dieses Argument haben wir in dieser Kolumne schon mehrfach berichtet. Es wird hoffentlich demnächst vom Bundesgerichtshof endgültig gekippt, auch wenn die für Ende Juni angesetzte Verhandlung abgesetzt wurde. Aber es gibt noch ein weiteres Argument. Es lautet: Der Kunde verhalte sich rechtsmissbräuchlich, wenn er auf sein noch bestehendes Widerrufsrecht bei einem Kreditvertrag pocht.
Nun, machen wir uns nichts vor: Die ganze Aufregung um den Widerrufsjoker gäbe es nicht, wenn die Zinsen in den vergangenen Jahren nicht so massiv gesunken wären. Hätten wir heute Hypothekenzinsen von sechs Prozent, dann würde wohl kaum jemand aus einer Baufinanzierung mit einem Zins von fünf Prozent aussteigen wollen. Allerdings liegen die Zinsen derzeit bei zwei Prozent und es gibt enorm viel Geld zu sparen, wenn man aus seinem Darlehen herauskommt – im Schnitt rund 500 Euro pro Monat oder 10.000 bis 20.000 Euro pro Kredit.
Und genau da setzt die Argumentation der Banken an: Das Widerrufsrecht sei eigentlich dazu da, um Verbraucher vor überhasteten Entscheidungen zu schützen und nicht, um ihnen Jahre später den Ausstieg aus Krediten zu ermöglichen, nur weil die Zinsen inzwischen gesunken sind. Nun kann man das als moralisch und ethisch einwandfrei handelnder Mensch so sehen. Interessant ist es jedoch, dass diese Argumentation ausgerechnet von den Banken kommt. Denn seit wann sind Banken moralisch und ethisch einwandfrei? Oder anders gefragt: Würden die Finanzinstitute nicht eine ähnliche Situation nutzen, wenn er zu ihrem Vorteil wäre? Wie sieht es aus mit den hochverzinslichen Bausparverträgen, die jetzt von Seiten der Banken gekündigt werden, weil ihnen die hohen Guthabenzinsen wehtun?
Juristisch ist die Sache jedenfalls klar: Das Widerrufsrecht kennt keine Motivationskontrolle. Wer sein Darlehen widerruft, der muss keine Begründung dafür liefern, warum er das tut. Natürlich sollte man schlauerweise seiner Bank gegenüber nicht ausdrücklich darauf verweisen, dass man widerruft, um Zinsen zu sparen. Aber auf der anderen Seite weiß jeder, dass dies eine Rolle spielt.
Klar ist aber auch, dass Verbraucherrecht kein Gnadenrecht ist. Wenn die Fakten (sprich: eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung) klar zu Gunsten des Verbrauchers sprechen, dann ist es scheinheilig, wenn sich die Banken wie die Moralapostel aufführen. Rund 70 Prozent aller Darlehensverträge aus den Jahren 2002 bis 2011 sind falsch und damit angreifbar. Kein Kreditnehmer sollte sich hier ein schlechtes Gewissen einreden lassen, wenn er diese Fehler nutzt, um die Zinskosten seiner Baufinanzierung zu halbieren.
Denn genau dies ist realistisch – und zwar ohne großes Kostenrisiko oder Prozess. Denn etliche Banken reagieren bereits jetzt mit einem vernünftigen Kompromissvorschlag, wenn der Kunde mit Hilfe seines Anwalts einen juristisch sauberen Widerruf des Darlehens präsentiert. Nach einem weiteren Urteil des BGH wird unserer Meinung nach diese Vergleichsbereitschaft der Banken noch weiter steigen.
Mit Hilfe der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info) können Sie durch unabhängige Rechtsanwälte kostenlos prüfen lassen, ob Ihre Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist. Auch beim Finden einer Anschlussfinanzierung, falls nötig, sind wir behilflich. Verbraucher, die im fraglichen Zeitraum seit 2002 einen Kreditvertrag abgeschlossen haben, sollten auf jeden Fall prüfen, ob der Widerrufsjoker für Sie in Frage kommt.