Rückabwicklung einer Lebensversicherung: Wie die Rechtsschutz beim Gutachten geizt
Die Rückabwicklung einer Lebens- und Rentenversicherung kann Versicherten viel Geld bringen. Häufig ist dazu eine Klage nötig. Rechtsschutzversicherungen übernehmen zwar die Kosten für den Anwalt – lassen ihre Kunden jedoch bei einem wichtigen Detail im Regen stehen. Warum eigentlich?
Die Erfahrung der Interessengemeinschaft Widerruf zeigt ganz eindeutig: Der Widerspruch bzw. Widerruf einer Renten- oder Lebensversicherung ist in vielen Fällen eine lohnende Geschichte. Insbesondere dann, wenn der Verbraucher die Police loswerden will, bietet die Rückabwicklung einen massiven Vorteil gegenüber einer Kündigung. Denn durch einen erfolgreichen Widerspruch bekommt der Kunde die Abschluss- und Verwaltungskosten erstattet und erhält zusätzlich eine Nutzungsentschädigung, also eine Verzinsung auf sein eingezahltes Kapital.
Doch hier fangen die Probleme nicht selten an. Denn der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass diese Nutzungsentschädigung individuell berechnet werden muss. Also kein Pauschalzins, wie er beispielsweise bei der Rückabwicklung von Baufinanzierungen verwendet wird (dort gelten einheitlich 2,5 Prozent über Basiszins), sondern eine Entschädigung, die genau das widerspiegelt, was die jeweilige Lebensversicherung während der Laufzeit der Police mit dem Geld des Versicherten erwirtschaftet hat.
Und hier wird es kompliziert: Denn diese Berechnung erfordert Daten, die nicht jedem Verbraucher und auch nicht jedem Anwalt zugänglich sind. Welche Rendite hat die jeweilige Versicherung mit ihren Anlagegeldern erzielt? Welcher Anteil der Beiträge floss überhaupt in die Kapitalanlage und wurde nicht vorab für Kosten und Risiken abgezweigt? Zudem sind Feinheiten, wie beispielsweise dynamisierte Beiträge oder beitragsfreie Zeiten zu berücksichtigen.
Spezialisierte Gutachter haben Datenbanken aufgebaut, die die erwirtschafteten Renditen aller Versicherungen für alle relevanten Zeiträume zusammengetragen haben und somit eine punktgenaue Berechnung des Anspruchs ermöglichen. Wie wichtig das ist, habe ich hier beschrieben.
Klar, dass ein solches Gutachten Geld kostet – in der Regel zwischen 500 und 1000 Euro. Während jedoch die Rechtsschutzversicherungen bei einem Rechtsstreit die Kosten für Anwalt und Gericht meist ohne Murren übernehmen, sträuben sie sich, wenn es um die Kosten für ein solches Gutachten geht. Das führt dazu, dass immer wieder Verbraucher versuchen, ohne Gutachten vor Gericht zu ziehen. Der Anspruch wird in solchen Fällen meist grob und näherungsweise vom Anwalt berechnet.
Das hat gleich mehrere Nachteile: Erstens können dem Verbraucher durch die Methode „pi mal Daumen“ Ansprüche verloren gehen. Die berechnete Nutzungsentschädigung könnte also dabei zuungunsten des Kunden zu niedrig ausfallen.
Zweitens sind viele Richter sehr pingelig, wenn es darum geht, wie der Anwalt des Verbrauchers vor Gericht vorträgt. Sie erwarten eine fundierte Herleitung und wollen hören, wie sich die eingeforderte Nutzungsentschädigung zusammensetzt. Dabei haben sie den BGH auf ihrer Seite, der genau dies fordert. Eine unsaubere und nur näherungsweise Berechnung der Ansprüche kann dazu führen, dass eine Klage verloren wird, die ansonsten der Sache nach gewonnen worden wäre.
Und spätestens dann schaut nicht nur der Versicherte in die Röhre, sondern auch seine Rechtsschutzversicherung. Denn die trägt in einem solchen Fall die Kosten für den gesamten Fall – auch für den Anwalt der Gegenseite. Denn vor Gericht sind die gesamten Kosten vom Unterlegenen zu tragen. Während also bei einem gewonnenen Fall die Rechtsschutzversicherung keine Kosten zu tragen gehabt hätte, kann der Gutachten-Geiz der Rechtsschutzversicherung dazu führen, dass das gesamte Verfahren zu bezahlen ist, weil es verloren ging. Im umgekehrten Fall hingegen, wenn die Klage also vom Versicherungsnehmer gewonnen wird, gilt üblicherweise das zur Klage erforderliche Parteigutachten als erstattungsfähig. Diese hat dann also die Gegenseite, sprich die Versicherung, zu übernehmen, so dass in diesem Fall die Rechtschutzversicherung ihre gesamten Auslagen zurückerstattet bekommt.
Der Fall zeigt: Auch wenn die Chancen gut stehen, die Rückabwicklung einer Lebensversicherung vor Gericht durchzusetzen, so kommt es doch auch immer auf Kleinigkeiten an. Dazu gehört ein vernünftiges Gutachten, das die Ansprüche einer Rückabwicklung detailliert herleitet und begründet. Insofern wäre es zu begrüßen, wenn die Rechtsschutzversicherungen die Kosten für diesen wichtigen Teil eines erfolgreichen Rechtsstreits übernehmen würden. Nicht nur, weil die höchstrichterliche Rechtsprechung eines solches Gutachten faktisch einfordert (schließlich liegt die Darlegungs- und Beweislast allein beim Versicherungsnehmer) und es den Erfolgsaussichten des eigenen Kunden dient. Sondern auch, weil Sparsamkeit an dieser Stelle kurzsichtig ist und durch verlorene Verfahren zu insgesamt höheren Kosten führen kann.