Was das BGH-Urteil zum Widerrufsjoker wirklich bedeutet

Auf den ersten Blick klingt es wie ein massiver Rückschlag für Kreditnehmer: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Klage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg zum Widerruf zweier Sparkassen-Kredite abgelehnt. Doch bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass das Urteil keine grundsätzliche Bedeutung hat.

Der BGH urteilte, dass eine Widerrufsbelehrung, die von Sparkassen in den Jahren 2011 und 2012 häufig verwendet wurde, den gesetzlichen Vorgaben entspricht und somit das Widerrufsrecht vom Kreditnehmern nicht nachträglich ausgeübt werden kann.

In dem Verfahren ging es die Widerrufsbelehrungen zweier Sparkassen, bei denen Textbausteine anzukreuzen waren (daher auch Checkbox-Formulare genannt). Diese basieren auf einem Musterformular der Sparkassen, das bundesweit verwendet wurde. Die obersten Richter urteilten nun, dass der durchschnittliche Verbraucher durch das Ankreuzen erkennen könne, ob die jeweilige Passage für ihn gelte oder nicht. Zudem sei die inhaltliche Gestaltung der Widerrufsbelehrung ausreichend. Dies liegt auch daran, dass bei Krediten, die seit dem 11. Juni 2010 abgeschlossen wurden, nach Ansicht des BGH keine deutliche Hervorhebung der Widerrufsbelehrung in Form einer besonderen optischen Gestaltung mehr nötig ist. Die Kredite basieren auf einem Musterformular der Sparkassen, das bundesweit verwendet wurde.

Allerdings hat der Richterspruch nach Ansicht von Experten keine Grundsatzbedeutung für den Widerrufsjoker. Er ist sehr konkret bezogen auf die genannten Widerrufsbelehrungen der Sparkassen aus den Jahren 2011 und 2012. Bei Krediten mit diesen Widerrufsbelehrungen scheint ein Vorgehen von Verbrauchern gegen ihre Bank nach dem jüngsten Urteil wenig erfolgversprechend.

Das bedeutet aber nicht, dass sich die Chancen für andere Darlehen verschlechtert haben, insbesondere nicht für Kredite, die vor Mitte 2010 abgeschlossen wurden. Bei diesen Darlehen sind nach diversen Prüfungen mehr als 70 Prozent der Widerrufsbelehrung fehlerhaft und es liegen bereits zahlreiche Gerichtsurteile vor, die die Widerrufbarkeit bestätigen.

Das jüngste BGH-Urteil ist aus zwei Gründen auf diese Darlehen nicht anzuwenden: Zum einen gab es bis Mitte 2010 das Gebot, dass die Widerrufsbelehrung im Kreditvertrag optisch klar herauszuheben ist. Die meisten Altkredite (abgeschlossen bis Mitte 2010) erfüllen die Voraussetzung nicht. Der aktuelle BGH-Fall stammt aber aus der Zeit nach Juni 2010 und musste diese Voraussetzungen nicht mehr erfüllen. Der Gesetzgeber hatte seinerzeit im Zuge einer Neuregelung auf diese Voraussetzung verzichtet.

Zum anderen sind die genannten Ankreuz-Optionen, die der BGH als rechtmäßig einstuft, ebenfalls eine Besonderheit, die erst nach Mitte 2010 auftaucht. Auch hier sind ältere Kredite nicht betroffen.

Für private Kreditnehmer erscheint daher nun folgende Strategie sinnvoll: Aufgrund der neuen Gesetzgebung sollten Immobilienkäufer, die ein Darlehen bis zum 10. Juni 2010 abgeschlossen haben, keine Zeit verlieren. Sie sollten prüfen lassen, ob die Widerrufsbelehrung des Kredits die gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Dies ist möglich bei den Verbraucherzentralen, bei Fachanwälten oder bei Verbraucherinitiativen wie der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Achtung: Das neue Gesetz für Immobiliendarlehen sieht vor, dass für diese Kredite der Widerruf spätestens bis Juni dieses Jahres ausgesprochen sein muss. Ansonsten verfällt die Möglichkeit, das Darlehen anzugreifen.

Baukredite, die nach Juni 2010 abgeschlossen wurden, sollten ebenfalls anwaltlich geprüft werden. Allerdings tickt dort die Uhr nicht ganz so laut. Denn das neue Gesetz sieht hier keine Rückwirkung vor. Diese Darlehen können also auch nach Juni 2016 noch angegriffen werden, sofern die Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist.

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