Wichtiges Gerichtsurteil zum Widerrufsjoker

Gute Nachrichten für Immobilienbesitzer, die mit dem Widerrufsjoker aus einer Immobilienfinanzierung aussteigen wollen: Das OLG Frankfurt hat in einem aktuellen Urteil vom 26. August 2015 (Aktenzeichen 17 U 202/14) entschieden, dass eine Verwirkung beim Widerrufsrecht von Krediten nicht eintritt. Die Verwirkung war bislang eines der wichtigsten Argumente, mit denen Kreditinstitute den Widerruf eines Darlehens zurückgewiesen haben.

Dabei handelt es sich bei der Verwirkung anders als bei der viel häufiger vorkommenden Verjährung nicht um eine klar definierte und damit berechenbare juristische Größe. Ein Urteil über die Verwirkung eines Rechts (hier: des Rechts auf Widerruf des Darlehens) beinhaltet einen gewissen Auslegungsspielraum. Dies haben die Banken dazu benutzt, einfach zu behaupten, das Recht sei verwirkt. Umso wichtiger ist hier eine klare und einheitliche Rechtssprechung.

Im aktuellen Fall ging es gar nicht um den Widerruf einer Baufinanzierung. Es ging allerdings um einen Kredit, mit dem Fondsanteile gekauft worden waren. Das ist jedoch unwesentlich. Denn das Argument der Verwirkung ist unabhängig davon, wofür das Darlehen letztlich verwendet wird. In dem konkreten Fall ging es um einen Kredit, der 2003 abgeschlossen wurde und 2009 beendet wurde. Dennoch – so urteilt nun das Frankfurter OLG – ist der Widerruf rechtens, den der Kunde erst vier Jahre nach Beendigung des Kredits im Jahr 2013 ausgesprochen hatte.

Das Urteil ist gleich aus zwei Gründen wichtig: Erstens ist Frankfurt die deutsche Bankenhauptstadt. Dort haben viele Großbanken ihren Hauptsitz. Dementsprechend landen viele Klagen in Sachen Widerrufsjoker vor Frankfurter Gerichten. Zweitens war Frankfurt bisher in Sachen Widerrufsjoker eher für bankenfreundliche Urteile bekannt gewesen. Einige Klagen von Verbrauchern waren mit der Begründung abgeschmettert worden, das Recht auf Widerruf sei verwirkt. Da komme es dann auch gar nicht mehr darauf an, ob die Widerrufsbelehrung nun falsch sei oder nicht.

Das aktuelle Urteil zeigt sehr deutlich, dass sich hier der Wind dreht. Denn die 17. Kammer des OLG Frankfurt hatte noch im März 2014 bei einem ähnlich gelagerten Fall geurteilt, dass das Recht des Kunden auf Widerruf des Darlehens verwirkt sei. Die aktuelle Entwicklung ist also für Verbraucher sehr positiv.

Möglicherweise haben die Frankfurter Richter auch Angst davor, dass ein BGH-Urteil zur Verwirkung anstehen könnte, das ihre Rechtssprechung aushebelt. Denn die obersten Richter aus Karlsruhe haben bisher die Verwirkung bei ähnlich gelagerten Fällen stets verneint. Es wäre also im Sinne der Rechtsklarheit sehr zu begrüßen, wenn auch die unteren Instanzen sich dieser Rechtssprechung anschließen würden.

Welche Auswirkungen sind nun konkret von diesem Urteil zu erwarten? Nun, zunächst verbessern sich die Chancen für Kreditnehmer, die in Hessen wohnen, bei einer Klage. Denn das OLG Frankfurt ist für ganz Hessen zuständig. Zudem verbessern sich die Chancen für alle, die bei einer Bank finanziert, die ihren Sitz in Hessen hat. Das sind etliche große Spieler im Markt für private Baufinanzierungen, unter anderem Deutsche Bank, Commerzbank und ING Diba.

Und letztlich könnte das Urteil dazu führen, dass vermehrt Kreditinstitute auch außergerichtlich kompromissbereit werden, wenn der Kunde sein Darlehen widerruft. Denn wenn sie eine Niederlage vor Gericht fürchten müssen, dann erhöht das natürlich die Bereitschaft zu einer vernünftigen Einigung ohne Klage und Prozess. Ob es hier Auswirkungen gibt, werden wir bei der Interessengemeinschaft Widerruf beobachten und auch berichten.

Dieser Beitrag hat ein Kommentar

  1. Mirko K.

    Nun hat auch der 23.Senat des OLG Frankfurt in einem Urteil eine Verwirkung abgelehnt.
    Der Beschluss vom 02.09.2015 hat das Az. 23 U 24/15. Hier stellt das OLG u.a. fest, dass es keine Ver­wir­kung des Wider­rufs gibt.

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