Widerrufsjoker: Banken kneifen beim Thema Verwirkung

Wieder haben die Banken ein wichtiges Urteil des BGH zum Widerrufsjoker auf der Ziellinie verhindert. Das ist ärgerlich. Aber es gibt auch gute Aspekte an der Sache.

Es ist fast schon ein Ritual: Fast immer, wenn eine wichtige Verhandlung zum Thema Widerruf von Darlehensverträgen auf der Agenda des Bundesgerichtshofs auftaucht, kann man sich darauf verlassen, dass der Termin auf den letzten Drücker gestrichen wird. So auch diesmal. Für den 5. April war eine Verhandlung angesetzt, in der es um die sogenannte Verwirkung gehen sollte. Dahinter steht die Frage, ob ein Verbraucher einen Kreditvertrag mit fehlerhafter Widerrufsbelehrung, der bereits beendet wurde, immer noch widerrufen kann – oder ob dieses Recht mittlerweile verfallen (verwirkt) ist.

Diesmal war es kein Verbraucher, sondern eine Bank, nämlich die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), die den Fall vor dem BGH gebracht hat. Nachdem die Schwaben in den ersten beiden Instanzen (LG Stuttgart Az. 6 O 64/14 und OLG Stuttgart Az. 6 U 21/15) bereits verloren hatten, wollten sie sich die Verwirkung nun offenbar höchstrichterlich bestätigen lassen. Doch auf den letzten Drücker bekamen sie kalte Füße und zogen ihre Revision zurück. Offenbar hat die LBBW Angst bekommen davor, dass der BGH die Verwirkung verneint. Damit wäre den Banken nämlich eines der letzten wichtigen Argumente entzogen worden, mit dem sie den Widerruf ihrer Kunden bisher regelmäßig abgelehnt haben.

Bereits vor einigen Wochen hatte der BGH ein weiteres Argument der Banken gekippt, nämlich die sogenannte Rechtsmißbräuchlichkeit. Damit wird es für die Banken immer schwieriger, sich gegen den Widerruf von Krediten mit fehlerhafter Widerrufsbelehrung zu wehren.

Die Rücknahme der Revision in Sachen Verwirkung vor dem BGH hat nun zwei Konsequenzen. Zum einen gibt es weiterhin kein höchstrichterliches Urteil zu diesem Punkt. Das ist ärgerlich, denn ein BGH-Spruch hätte die Diskussionen in den unteren Instanzen zum Thema Verwirkung beendet. Auf der anderen Seite hat die Rücknahme der Revision aber auch einen positiven Aspekt. Denn dadurch ist die Entscheidung des OLG Stuttgart (Az. 6 U 21/15) rechtskräftig. Die Richter dort hatten im September 2015 eindeutig gesagt: Selbst ein bereits beendeter Kredit kann vom Verbraucher noch wirksam widerrufen werden, wenn er eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung aufweist. Es liegt keine Verwirkung vor und auch kein rechtsmißbräuchliches Handeln (dieser Aspekt wurde je mittlerweile vom BGH bestätigt). Dieses Urteil ist somit Referenz für ähnlich gelagerte Fälle.

Und wenn es keine Verwirkung bei einem bereits beendeten Darlehen gibt, dann kann es auch keine Verwirkung bei einem noch laufenden Darlehen geben, auch wenn dieses vor etlichen Jahren geschlossen wurde.

So gesehen, hat die Rücknahme der Revision beim BGH durchaus Licht und Schatten für den Verbraucher. Wichtig ist, dass betroffene Kreditnehmer ihr Recht zum Widerrufsjoker nun schnell in die eigenen Hände nehmen. Denn unabhängig von den beschriebenen Fakten endet die Möglichkeit zum Widerruf von Darlehen am 21. Juni 2016. Grund ist das neue Gesetz für Immobilienkredite, das den Widerruf auch bei fehlerhafter Belehrung beschränkt. Wer also seine Baufinanzierung vor dem 10. Juni 2010 abgeschlossen hat, muss dringend aktiv werden.

Der erste Schritt zum erfolgreichen Widerruf ist die Prüfung des Kreditvertrags auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung durch einen spezialisierten Anwalt. Die Interessengemeinschaft Widerruf bietet diese Prüfung kostenlos und unverbindlich an. Stellt sich dabei heraus, dass das Darlehen angreifbar ist, dann wird der Anwalt einen konkreten Vorschlag für die Umsetzung des Widerrufs machen.

In vielen Fällen greift dabei eine Rechtsschutzversicherung, die unter Umständen sogar noch abgeschlossen werden kann. Ansonsten zeigt die IG Widerruf weitere Möglichkeiten auf (z.B. Prozessfinanzierung), wie der Verbraucher den Widerruf ohne Kostenrisiko umsetzen kann.

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