Widerrufsjoker – BGH erklärt Sparda-Baufinanzierung für fehlerhaft

Wichtiger Etappensieg für einen Kunden beim sogenannten Widerrufsjoker für Immobilienkredite. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine Widerrufsinformation für fehlerhaft erklärt, die von mehreren Banken im Zeitraum 2010 bis 2016 verwendet wurde. Die Entscheidung bietet zahlreichen Verbrauchern die Möglichkeit, die Zinsen ihrer Hypothekenfinanzierung durch einen Widerruf deutlich zu senken.

Der Widerrufsjoker für Wohnungsdarlehen lebt weiter. In einem Verfahren gegen die Sparda Bank (Az. XI ZR 331/17) entschied der BGH, dass die Widerrufsbelehrung eines Kreditvertrags nicht korrekt formuliert ist. Konsequenz daraus ist, dass der Kunde das Darlehen noch Jahre nach Abschluss widerrufen kann und es beendet wird, ohne dass eine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen ist.

In dem vorliegenden Fall hatte der Kunde bei der Sparda Berlin im Jahr 2012 eine Immobilienfinanzierung abgeschlossen, die er in 2016 widerrief. Die Bank hatte eine Widerrufsinformation benutzt, die von dem gesetzlichen Mustertext abweicht. Dies wurde ihr nun zum Verhängnis. In dem verwendeten Text heißt es nämlich, dass die Widerrufsfrist erst dann zu laufen beginnt, wenn das Kreditinstitut „seine Pflichten aus §312g Absatz 1 Satz 1 BGB (…) erfüllt hat.“ Dieser Passus gilt allerdings nur auf Geschäfte, die im elektronischen Geschäftsverkehr geschlossen werden.

„Elektronischer Geschäftsverkehr“ bedeutet dabei, dass das Geschäft ausschließlich online geschlossen sein muss. Dies ist beispielsweise beim Kauf einer Ware in einem Online-Shop der Fall – bei Immobilienkrediten allerdings so gut wie nie. Denn bereits eine eigenhändige Unterschrift in einem Vertrag bewirkt, dass es sich nicht mehr um einen elektronischen Geschäftsverkehr handelt. Solche persönlichen Unterschriften sind bei Baufinanzierungen der Regelfall. Auch im vorliegenden Fall wurde der Vertrag von den Kreditnehmern unterschrieben.

Demnach sieht die fehlerhafte Widerrufsinformation also vor, dass die Widerrufsfrist erst dann beginnt, wenn eine Pflicht erfüllt wird, die sich im konkreten Fall gar nicht erfüllen lässt. Konsequenz des BGH: Er verweist den Fall zwar formal an das Kammergericht zurück, sagt aber eindeutig, dass die Widerrufsinformation fehlerhaft sei, wenn der Vertrag nicht im elektronischen Geschäftsverkehr geschlossen worden sei.

Der Rest dürfte Formsache sein: Da der Vertrag – wie nahezu alle Immobilienkredite – nicht rein elektronisch geschlossen wurde, ist der Widerruf berechtigt und das Darlehen dürfte rückabgewickelt werden.

Nach unseren Analysen findet sich der vom BGH bemängelte Passus in den Verträgen mehrerer Banken aus dem genossenschaftlichen Sektor (Volks- und Raiffeisenbanken, Sparda, PSD) – aber auch bei anderen Kreditinstituten. Immobilienbesitzer, die im Zeitraum 2010 bis 2016 eine Baufinanzierung abgeschlossen haben, sollten daher prüfen lassen, ob ihr Vertrag für einen Widerruf in Frage kommt. Eine solche Prüfung ist bei spezialisierten Anwälten oder – kostenlos und unverbindlichbei der Interessengemeinschaft Widerruf möglich.

Insbesondere vor dem Hintergrund der jüngst auf Rekordtiefs gefallenen Hypothekenzinsen bietet die Entscheidung des BGH ein enormes Sparpotenzial für Verbraucher. Denn sie können mit einem erfolgreichen Widerruf aus einem laufenden, teuren Darlehen aussteigen und einen neuen Immobilienkredit zu Zinsen von teilweise unter einem Prozent abschließen – oder eine Finanzierung ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung zurückzahlen.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. RA Prof. Dr. Albert Kroells

    Guten Tag Herr Claus,

    zunächst meine Gratulation zu der von einer Mitgliedskanzlei der IG Widerruf erstrittenen BGH-Entscheidung XI ZR 337/17, die auch nach meiner Einschätzung dem Widerrufsjoker neuen Schwung verleihen dürfte. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir den Hinweis, dass sich in Ihre auf zahlreichen Kanälen veröffentlichte Information zur BGH-Entscheidung ein sinnentstellender Fehler eingeschlichen hat. So ist in Blog der IG Widerruf vom 29.07.2019 die Rede davon, dass im streitgegenständlichen Darlehensvertrag mit der Spardabank der Lauf der Widerrufsfrist davon abhängig gemacht worden sei, dass der „Verbraucher“ die ihm gemäß § 312 g BGB a. F. obliegenden Pflichten erfüllt habe. Tatsächlich aber handelt es sich um Pflichten des Darlehensgebers.

    Mit freundlichen Grüßen

    Rechtsanwalt Prof. Dr. Albert Krölls

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