BGH-Urteil: Widerrufsjoker greift bei Altverträgen aus Fernabsatz – beste Chancen bei ING Diba, DSL und DKB

Interessantes Urteil des BGH in Bezug auf Baufinanzierungen, die zwischen 2002 und 2010 abgeschlossen worden sind. Sofern diese Kredite im sogenannten Fernabsatz geschlossen wurden, sind sie häufig noch widerrufbar. Verbraucher können dadurch sofort aus hochverzinslichen Darlehen aussteigen und haben Anspruch auf einen Nutzungsersatz. Besonders drei Banken sind betroffen.

Mit einem aktuellen Urteil gegen eine Bausparkasse (Az. XI ZR 160/17) verhilft der Bundesgerichtshof vielen Tausend Immobilienbesitzern zu einem vorzeitigen Ausstieg aus einer laufenden, hochverzinslichen Baufinanzierung. Betroffen sind Darlehen aus dem Zeitraum November 2002 bis Juni 2010, die in einem Fernabsatzgeschäft abgeschlossen wurde. Das ist in der Regel dann der Fall, wenn der Kunde beim Abschluss des Kredits keinen persönlichen Kontakt zu der Bank oder zu deren Vermittler hatte. Er darf den Kredit also nicht in den Geschäftsräumen der Bank oder bei einem Vertreterbesuch abgeschlossen haben, sondern ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln wie Post, Telefon und Mail.

Solche Fernabsatzgeschäfte haben in der Vergangenheit insbesondere drei große Baufinanzierer gemacht, nämlich die ING Diba, die DKB und die DSL-Bank.  Besonders aussichtsreich sind daher Kredite, die bei diesen Banken im Zeitraum 2008 bis 2010 abgeschlossen wurden. Denn dabei greift in der Regel derzeit noch eine laufende Zinsbindung. Würde man diese Darlehen also regulär kündigen, könnte die Bank eine erhebliche Vorfälligkeitsentschädigung verlangen.

Durch das Urteil des BGH wird diese Vorfälligkeitsentschädigung nun in vielen Fällen hinfällig. Betroffene Verbraucher können somit ein laufendes Darlehen widerrufen und ohne Zahlung einer Entschädigung in eine deutlich niedrigere Finanzierung wechseln. Sie zahlen damit nicht nur weniger Zinsen, sondern sichern sich die aktuellen Niedrigzinsen auch für einen langen Zeitraum.

Zudem haben Kunden bei einem Widerruf Anspruch auf eine sogenannte Nutzungsentschädigung, die das Kreditinstitut zahlen muss.  Das bedeutet, dass ihnen die Bank sämtliche bisherigen Zahlungen, also Zins und Tilgung, verzinsen muss. Dies kann häufig zwischen fünf und zehn Prozent der Kreditsumme ausmachen. Bei einer Finanzierung von 100.000 Euro kann der Kunde demnach zwischen 5.000 und 10.000 Euro fordern – zusätzlich zur Zinsersparnis durch die vorzeitige Beendigung des Kredits.

Kreditnehmer sollten nun im ersten Schritt überprüfen lassen, ob ihre Finanzierung von dem Urteil betroffen ist. Die Interessengemeinschaft Widerruf bietet diese Prüfung kostenlos und unverbindlich an. Wir gehen jedoch nicht davon aus, dass die betroffenen Banken trotz des BGH-Urteils ohne weiteres einlenken. Es kann also durchaus zu einem Rechtsstreit kommen, wobei das Risiko des Verbrauchers gering sein dürfte. Wer das Kostenrisiko scheut, sollte sich über eine Prozessfinanzierung informieren. In vielen Fällen greift auch eine Rechtsschutzversicherung.

Auf keinen Fall sollten sich Verbraucher nun auf einen vorschnellen und für sie ungünstigen Vergleich mit dem Kreditinstitut einlassen. Bietet die Bank lediglich an, das Darlehen ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung zu beenden, dann droht der Kunde den größten Teil seines Vorteils zu verschenken. Denn gerade bei älteren Darlehen, deren Zinsbindung bald ausläuft, liegt der eigentliche Vorteil nicht in der Zinsersparnis, sondern in der Nutzungsentschädigung.

Auch Darlehen aus der Zeit nach Juni 2010 können in vielen Fällen angreifbar sein. Gegen die Sparkassen liegt bereits ein BGH-Urteil (Az. XI ZR 434/15) aus dem Jahr 2016 vor. Auch Baufinanzierungen von Deutsche Bank, ING Diba, DSL und Commerzbank weisen nach Ansicht von Experten Fehler auf.

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